Baden-Württemberg unterstützt die irakische Region Dohuk mit zahlreichen Projekten vor Ort. Die Projekte tragen dazu bei, dass Einheimische und Flüchtlinge eine Bleibeperspektive für sich und ihre Familien im Nordirak sehen. Insgesamt unterstützt das Staatsministerium die Projekte mit 1,1 Millionen Euro. Über weitere 500.000 Euro will die Landesregierung im Frühjahr entscheiden.
„Mit unseren Projekten in der Region Dohuk in der Autonomen Region Kurdistan im Irak setzen wir unser humanitäres Engagement fort, das wir mit dem Sonderkontingent für besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder aus dem Nordirak begonnen haben“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Anschluss an die Sitzung des Ministerrats.
„Die Projekte tragen dazu bei, dass die Menschen in der Region Dohuk – die Einheimischen, die Flüchtlinge aus Syrien und die Binnenvertriebenen – eine Bleibeperspektive für sich und ihre Kinder im Nordirak entwickeln können“, so Kretschmann weiter.
Bereits Ende 2015 hatte Baden-Württemberg mit der irakischen Provinz Dohuk eine gemeinsame Absichtserklärung zur Stärkung der Zusammenarbeit unterzeichnet. „Ziel der Kooperation mit der Provinz Dohuk ist es, die Situation der Geflüchteten vor Ort zu verbessern und die aufnehmende Bevölkerung zu stärken. Während Nahrung und medizinische Leistungen sowie auch Bildungsangebote gegen Geld erworben werden können, fehlen vielen Flüchtlingen die Finanzmittel für die grundlegendsten Bedürfnisse“, betonte Staatssekretärin Theresa Schopper, die die Projekte im Staatsministerium verantwortet. Auch sei beispielsweise die lokale Infrastruktur, vor allem im Bereich der Müllverarbeitung, Gesundheitsvorsorge und Schulbildung, stark überfordert. „Einheimische, Binnenvertriebene und die Geflüchteten aus Syrien sollen also auch strukturell unterstützt werden“, so die Staatssekretärin.
Lokale Projekte vor Ort unterstützen
Bei der Umsetzung konzentriere sich das Staatsministerium derzeit auf drei Projekte mit einem Volumen von insgesamt 1,1 Millionen Euro. Über weitere Projekte in Höhe von bis zu 500.000 Euro werde im Frühjahr 2017 entschieden.
So fördere das Land Baden-Württemberg derzeit mit einem Projekt der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH mit 600.000 Euro die Ertüchtigung der Mülltrennungsanlage Quashie bei Dohuk. „Hier sollen eine Umweltkatastrophe verhindert und weitere Arbeitsplätze, auch für geflüchtete Frauen, geschaffen werden“, sagte Schopper. Die erst wenige Jahre alte, von einem deutschen Unternehmen gebaute Anlage, konnte bisher aufgrund der Stromverknappungen nur in zwei Schichten betrieben werden. Nun wurde ein Generator angeschafft, mit dessen Hilfe der Betrieb von zwei auf drei Schichten erweitert wird. „Dies ist dringend erforderlich, denn im Moment wird der Müll, der nicht getrennt und verarbeitet werden kann, auf Mülldeponien provisorisch gelagert. Es drohen Gefahren für Umwelt, Wasser und die Gesundheit der Menschen. Zugleich bleiben Wertstoffe ungeborgen“, betonte die Staatssekretärin.
Darüber hinaus werden Schutzkleidung und ein Kompoststreuer mit Traktor angeschafft. „Lokale Landwirte haben bereits ihr Interesse an der Verwertung des Komposts angemeldet. Der Kompost bildet dann eine weitere wirtschaftliche Grundlage für den Betrieb der Mülltrennungsanlage. Zudem wird ein Pilotprojekt in einem Camp durchgeführt, um die Müllsortierung vor Ort zu verankern“, sagte Schopper.
Unterstützung für Existenzgründerinnen
Die beiden anderen Projekte werden in Zusammenarbeit mit der Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit Baden-Württemberg abgewickelt. Das österreichische Bundesland Vorarlberg beteiligt sich hierbei jeweils mit 50.000 Euro. So fördert das Land die Existenzgründung für erwerbslose, besonders schutzbedürftige einheimische und geflohene Frauen in Dohuk mit 400.000 Euro in Zusammenarbeit mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM). „Frauen, die als Witwen ihre Familien unterstützen müssen, werden geschult, mit Hilfe von IOM eine eigene Existenz als Inhaberinnen von Marktständen zu gründen“, so Staatssekretärin Schopper. Der Markt werde spätestens in einem Jahr selbständig von den Betroffenen betrieben und verwaltet und trage sich dann selbst. Zusätzlich zum Markt können weitere Einrichtungen betrieben werden, wie zum Beispiel Freizeitstätten für die Kinder, die betreut werden, während die Frauen arbeiten, oder auch Büros zur psychosozialen und rechtlichen Beratung.
Schulbesuch und Bildung ermöglichen
Darüber hinaus fördert das Land zusammen mit Caritas international den Schulbesuch einheimischer und vertriebener Kinder in Dohuk mit 100.000 Euro im Schuljahr 2016/2017. „Von der sich dramatisch verschlechternden Situation im Nordirak sind besonders die Kinder betroffen. Außerhalb der offiziellen Flüchtlingslager gehen nur 30 Prozent der vertriebenen Kinder zur Schule. Aufgrund der schlechten finanziellen Situation der Familien und der unzureichenden Infrastruktur können die Kinder im Moment nicht an Bildungsmaßnahmen teilnehmen“, betonte Schopper. Das geplante Projekt fördere den Schulbesuch von 1.110 (1.850 mit einer Beteiligung des Bundeslandes Vorarlberg) Kindern und Jugendlichen in der Stadt Dohuk und in drei umliegenden Gemeinden für fünf Monate.
Der Kontakt und die Zusammenarbeit mit den Familien spiele eine zentrale Rolle. „Vier Sozialarbeiter und zwei Freiwillige der Caritas Irak arbeiten eng mit den entsprechenden Schulen zusammen und begleiten die Kinder und Jugendlichen bei ihrem Schulalltag. Sie ermutigen die Familien, auch die Mädchen in die Schule gehen zu lassen. Somit werden auch frühe Verheiratungen verhindert“, so die Staatssekretärin. Darüber hinaus trage die Beratung durch lokale Kräfte zur Integration der Binnenvertriebenen, die zum Teil aus stark ländlich geprägten Regionen mit einem hohen Anteil an Analphabeten stammen, in das städtische Umfeld von Dohuk bei. „Um das Heranwachsen einer verlorenen Generation zu verhindern, sind Investitionen in Bildung von hoher Priorität. Der Besuch der Schule ermöglicht den Kindern eine Rückkehr in einen bekannten, strukturierten Alltag und unterstützt damit die dringend notwendige psychologische Stabilisierung der Kinder in einem stark von Unsicherheiten geprägten Umfeld“, ergänzte Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
Zur Selbsthilfe befähigen
Zusätzlich zu diesen humanitären Projekten unterstützt das Staatsministerium die Studierenden in Dohuk, die am vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst geförderten Institut für Psychotherapie und Psychotraumatologie an der Universität Dohuk zu Therapeuten ausgebildet werden sollen mit Stipendien in Höhe von 320.000 Euro (elf Stipendien über monatlich 800 Euro für drei Jahre). Die Stipendiaten verpflichten sich, mindestens fünf Jahre nach ihrer Ausbildung in Dohuk zu bleiben. Um möglichst schnell viele Therapeuten ausbilden zu können, ist ein begleitendes Stipendienprogramm für drei Jahre sinnvoll, damit sich die angehenden Therapeutinnen und Therapeuten (vornehmlich Ärzte, Sozialarbeiter, Lehrkräfte) auf die Therapeutenausbildung konzentrieren können und die Ausbildung nicht berufsbegleitend absolvieren müssen.