Eine Anti-Mafia-Initiative aus Süditalien, eine indigene Umwelt- und Friedensaktivistin aus Neuseeland und ein ehemaliger kongolesischer Kindersoldat, der zum Friedensarbeiter wurde: Das sind die Gewinner des 8. Internationalen Bremer Friedenspreises der Stiftung die schwelle. Die mit insgesamt 15.000 Euro dotierte Auszeichnung wird am Freitag, 17. November, im Bremer Rathaus verliehen. Schirmfrau der Veranstaltung ist Bremens Bürgermeisterin Karoline Linnert.
Als „Ermutigende Initiative“ wird das sizilianische Netzwerk Addiopizzo („Tschüss Schutzgeld“) ausgezeichnet. Addiopizzo ist ein zivilgesellschaftlicher Zusammenschluss von mehr als tausend sizilianischen Geschäften, die sich den Schutzgeldzahlungen der Mafia widersetzen und dies auch im Stil eines Fair-Trade-Labels publik machen. Somit können Verbraucher diese Geschäfte gezielt mit ihrem Einkauf unterstützen. Das Netzwerk koordiniert zudem rund 40 Ehrenamtliche, die regelmäßig Schulen besuchen. Dort sensibilisieren sie Kinder und Jugendliche frühzeitig für die gesellschaftlichen Probleme, die durch das kriminelle Handeln der Mafia entstehen. Die Arbeit von Addiopizzo wirkt in vielen Bereichen der sizilianischen Gesellschaft wie ein Weckruf. Denn das solidarische Prinzip von Addiopizzo macht deutlich: Es gibt Alternativen zu der weit verbreiteten Praxis, mafiöse Strukturen aus Angst vor Gewalttaten zu unterstützen. Über die Vergabe des Preises für die „Ermutigende Initiative“ konnten erstmals Spender entscheiden, die die Arbeit der Stiftung die schwelle unterstützen. „Wir fühlen uns wirklich geehrt, den Internationalen Bremer Friedenspreis zu erhalten“, sagt Addiopizzo-Aktivistin Francesca Vannini. „Wir sind als kleine Gruppe gestartet und sind gewachsen. Das war nicht immer einfach“, ergänzt ihre Mitstreiterin Alessandra Perrone. „Wir versuchen, etwas zu bewegen. Die Unterstützung von Stiftungen wie der schwelle hilft uns dabei.“
Ebenfalls ausgezeichnet wird die indigene Friedens- und Umweltaktivistin Pauline Tangiora aus Neuseeland oder Aotearoa, Land der langen weißen Wolke, wie die Maori ihr Heimatland liebevoll nennen.
Als Angehörige der Maori verbindet sie das Stammeswissen ihrer Ahnen mit der Botschaft, die Erde zu schützen und zu bewahren. Als Ehrenratsmitglied des Weltzukunftsrats und Botschafterin des Internationalen Weltrats ruft Pauline Tangiora immer wieder zu einem Bewusstseinswandel der Menschheit auf, indem sie die ganzheitliche Sicht der Maori auf nationalen und internationalen Konferenzen darlegt. Zugleich macht sie sich hartnäckig für die Rechte indigener Völker stark – mit Erfolg. Im November 2016 hat sich der neuseeländische Staat bei den Maori für Landraub und Zerstörung ihrer Kulturen entschuldigt und ein Abkommen unterzeichnet, das eine Ausgleichszahlung und soziale Unterstützung beinhaltet – 30 Jahre nachdem Pauline Tangiora eine entsprechende Kampagne gestartet hatte. Ein Ereignis mit Symbolcharakter, denn es zeigt: Koloniale Schuld muss nicht stillschweigend unter den Teppich der Geschichte gekehrt werden, wie es in Deutschland lange Zeit im Umgang mit dem Völkermord an den Herero und Nama in Namibia geschehen ist: Verantwortung einzufordern ist eine Chance. Verantwortung zu zeigen ein Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit. Die Auszeichnung mit dem Internationalen Internationalen Bremer Friedenspreis sieht sie deshalb auch als wichtiges Zeichen: „Dieser Preis macht das Leid von Tausenden von Familien deutlich, die aufgrund der Gier nach Öl, Land und Wasser auseinander gerissen wurden“, sagt Pauline Tangiora. „Kriegsgebiete entstanden, Menschen mussten fliehen. Dabei sind wir doch geboren, um die Schönheit von Mutter Erde zu teilen.“
Ein weiterer Preis geht an den kongolesischen Friedensarbeiter und ehrenamtlichen UN-Botschafter Junior Nzita, der sich mit großem Engagement gegen die grausame Praxis stark macht, Kinder in Kriegen kämpfen zu lassen. Er selbst wurde als Zwölfjähriger aus einem Internat entführt und war zehn Jahre lang in die gnadenlosen Befehlsstrukturen der Kongolesischen Befreiungsarmee AFDL eingebunden, bevor er 2006 demobilisiert wurde. Trotz schwerer Traumata gelang es ihm, das Abitur nachzuholen und eine Ausbildung zum Sozialarbeiter zu absolvieren. Seine Kriegserfahrungen schildert er in dem Buch „Wenn ich mein Leben als Kindersoldat erzählen könnte“, das mittlerweile in acht Sprachen erschienen ist. Mit dem Erlös unterstützt er die von ihm gegründete Hilfsorganisation „Paix pour l‘Enfance“ („Frieden für die Kindheit“), die sich um ehemalige Kindersoldaten kümmert und ihnen die Möglichkeit gibt, die Schule zu besuchen oder eine landwirtschaftliche Ausbildung zu absolvieren. „Meine Kindheit wurde gestohlen. Heute will ich verhindern, dass anderen dasselbe Schicksal widerfährt“, sagt Junior Nzita. „Was mir und vielen anderen passiert ist, zeigt die Bedeutung von Frieden und Gewaltlosigkeit für die Welt als Ganzes und für junge Menschen im Besonderen. Der Internationale Bremer Friedenspreis ermutigt mich, noch weiter zu gehen und das, was ich tue, noch besser zu machen."
Der Internationale Bremer Friedenspreis wurde erstmals vor 14 Jahren verliehen. „Er ist so aktuell wie am ersten Tag“, sagt Schirmfrau Karoline Linnert. „Auch in diesem Jahr sehen wir uns mit Kriegen, Verfolgung und Umweltzerstörung konfrontiert. Umso erfreulicher und ermutigender ist es, von Menschen zu erfahren, die sich gegen Schutzgelderpressung wehren, mit langem Atem Lebensräume erhalten und die mit eigener kriegerischer Vergangenheit zum Friedensarbeiter geworden sind. Sie sind eine Ermutigung für uns.“ Für Reinhard Jung, Vorsitzender der Stiftung die schwelle, passen die Preisträger mit ihrer Arbeit hervorragend zur Zielsetzung des Friedenspreises: „Wir wollen Gutes und Wichtiges zur Nachricht machen, damit die Nachrichten nicht nur von dem beherrscht werden, was schlecht und zerstörerisch ist. Uns geht es um Ermutigung für alle, die sich engagieren, und für alle, die davon hören.
Über den Internationalen Bremer Friedenspreis der Stiftung die schwelle:
Mit dem Internationalen Bremer Friedenspreis ehrt die Stiftung die schwelle seit 2003 alle zwei Jahre Menschen und Organisationen, die Vorbild sind im Einsatz für Versöhnung, Menschenrechte, Überwindung von Rassismus, für soziale Gerechtigkeit und nachhaltigen Umgang mit Natur und Umwelt sowie für interkulturelle und interreligiöse Verständigung. Der Preis wird alle zwei Jahre an eine Initiative und zwei Einzelpersonen vergeben. Die drei Auszeichnungen sind gleichrangig und mit jeweils 5000 Euro dotiert. Schirmfrau des Internationalen Bremer Friedenspreises ist Bremens Bürgermeisterin Karoline Linnert, sie hatte das Ehrenamt 2013 von Altbürgermeister Hans Koschnick übernommen. Weitere Informationen über den Preis, die Gewinner und weitere preiswürdige Personen und Projekte sind hier zu finden.