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Hamburg: Das MARKK eröffnet „Benin. Geraubte Geschichte“

Brosda: „Mit dieser Ausstellung verbinden wir das klare Versprechen, dass alle sich in Hamburg befindenden Benin-Objekte restituiert werden.“

In der Ausstellung Benin. Geraubte Geschichte würdigt das Museum am Rothenbaum (MARKK) ab dem 17. Dezember 2021 seine Benin-Sammlung und macht sie der Öffentlichkeit vollständig zugänglich. Die Präsentation lässt Besucher:innen an dem laufenden Prozess der Rückgabe der Artefakte nach Nigeria teilhaben und beleuchtet sowohl die Herkunftsgeschichte als auch die herausragende künstlerische Qualität der Werke und ihren Stellenwert in der afrikanischen Kunst- und Kulturgeschichte. Insbesondere wird die Verbindung der Sammlung mit den Hamburger Handelsnetzwerken nachvollzogen.

Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien: „Die Benin-Bronzen in Hamburg erzählen nicht nur von kolonialer Unterwerfung, Raub und jahrzehntelanger Ignoranz. Sie verkörpern auch den Stolz einer ganzen Kultur. Daher wollen wir endlich unserer Verantwortung gerecht werden und mit dieser Ausstellung das klare Versprechen verbinden, dass sich alle in Hamburg befindenden Benin-Objekte restituiert werden. Unser Ziel ist es, dies vollständig und bedingungslos im Jahr 2022 abzuschließen. Ich wünsche mir, dass diese Ausstellung aber nicht nur die Rückgabe dieser einzigartigen Kunstschätze markiert, sondern zugleich ein neues Kapitel im kulturellen Austausch zwischen Europa und Afrika aufschlägt.“

Kolonialgeschichte und Restitution
Die gewaltsame koloniale Unterwerfung des Königreichs Benin (heute Edo State, Nigeria) durch britische Truppen im Februar 1897 markierte das Ende eines der mächtigsten westafrikanischen Königreiche. Eine der Folgen war die weltweite Distribution von 3.000 bis 5.000 Objekten, die aus dem königlichen Palast geraubt wurden. Rund 170 von ihnen befinden sich heute im MARKK. Die Kunstwerke aus Bronze, Elfenbein und Holz, die häufig unter dem Begriff „Benin-Bronzen“ zusammengefasst werden, sollen im kommenden Jahr zusammen mit Beständen anderer deutscher Museen nach Benin City restituiert werden. Die Rückgabe wird seit April dieses Jahres gemeinsam mit den nigerianischen Partner:innen und Vertreter:innen von Bund und Ländern vorbereitet. Parallel dazu schafft die von der Ernst von Siemens Kunststiftung geförderte digitale Wissensplattform Digital Benin des MARKK bis Ende 2022 einen weltweiten Überblick über die geraubten Kunstwerke.

Prof. Barbara Plankensteiner, Direktorin MARKK: „Es ist großartig, dass wir diese Ausstellung so kurzfristig umsetzen konnten, bevor die Werke dorthin zurückkehren wo sie hingehören. Schon lange war es mir ein Anliegen, die Benin-Sammlung des MARKK vollständig zu zeigen, was seit Beginn des 20. Jahrhunderts nie mehr geschehen ist. Ich finde sie persönlich wegen ihrer Vielfältigkeit und einiger historisch einzigartiger Objekte besonders faszinierend. Ich möchte, dass wir uns von diesen Werken verabschieden, indem wir ihre Qualität und Bedeutung für eine globale Kunstgeschichte noch einmal würdigen und gleichzeitig ihrer Provenienz als koloniales Raubgut gerecht werden. Durch unser Digital Benin Projekt und die Zusammenarbeit mit den nigerianischen Partner:innen fließen dazu unterschiedlichste Perspektiven ein.“

Ikonische Kunst
Die Benin-Bronzen gehören zu den Höhepunkten der afrikanischen Kunst. Zugleich stehen die Kunstwerke in europäischen Sammlungen für die koloniale Ausbeutung des afrikanischen Kontinents durch die Europäer. Benin City ist heute ein lebhaftes Kunstzentrum in Nigeria und viele zeitgenössische Künstler:innen befassen sich in ihren Werken mit dem Verlust ihres wichtigen kulturellen Erbes. Die (kunst-)historische und identitätsstiftende Bedeutung der Werke wird in der Ausstellung aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Die Ausstellung soll die Notwendigkeit der Rückgabe nach Nigeria als Akt der Gerechtigkeit betonen und ein Bewusstsein dafür schaffen, wie bedeutend afrikanische Kunst für ein Verständnis der Menschheitsgeschichte ist. Sie ermöglicht eine Auseinandersetzung mit der höfischen Kunst Benins und widerlegt zugleich die rassistische Vorstellung von der Höherwertigkeit und Einzigartigkeit der europäischen Kunst.

Osaisonor Godfrey Ekhator-Obogie, Mitglied des kuratorischen Teams: „Als Benin-Historiker bietet mir diese Ausstellung die Möglichkeit, die kaum gewürdigte Geschichte des Volkes von Benin zu erzählen. In dieser Ausstellung des MARKK ist daher auch ein Bewusstsein für die Kulturgeschichte Benins enthalten. Nichts ist spannender, als die Geschichte zu erzählen, die ein Objekt aus Benin enthält, erzählt, vermittelt und hinterlässt. Es ist die Geschichte des Volkes von Benin und nicht die der Könige und Reiche. Eine Geschichte, die herausragt und lebendig ist, wann immer sie erzählt wird, eine Geschichte, die uns in die Jahre und an die Schauplätze der Ereignisse zurückführt.“

Hamburg
Der Hamburger Hafen war ein zentrales Eingangstor für den Transfer von Benin-Werken nach Deutschland sowie ihren Weitervertrieb in Kontinentaleuropa. Nach der Plünderung durch die britischen Kolonialtruppen 1897 wirkten Agenten Hamburger Handelshäuser und deutsche Schiffsleute maßgeblich an der Distribution der Artefakte mit. Das Interesse Hamburger Museen an den zuvor unbekannten Werken wiederum schürte den Sammelwahn in Deutschland. Diese Verflechtungen werden in der Ausstellung erläutert und veranschaulicht.

Prof. Abba Isa Tijani, Generaldirektor der National Commission for Museums and Monuments: „Ich fühle mich sehr geehrt, an der Bedeutung dieses Tages teilzuhaben. Für uns markieren diese Ereignisse den Beginn der Rückkehr der Benin-Bronzen nach Nigeria. Die Bedeutung kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die Veranstaltung zur Vorbereitung der Rückgabe findet in Hamburg statt, der Stadt, von der aus sie ursprünglich nach Deutschland gelangten. Es ist lobenswert, dass Hamburg diese Altertümer auf so bedeutsame Weise ausstellt und sich gleichzeitig von ihnen verabschiedet.“

In der Ausstellung
Die Sammlung wird erstmals seit über 100 Jahren vollständig präsentiert, inklusive Fragmenten und Kleinobjekten sowie dreier bedeutender Werke, die in diesem Jahr aus dem Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe in die Sammlung des MARKK überführt wurden. Darüber hinaus bringt sie historische Fotografien, zeitgenössische Werke und heutige Stimmen aus Benin-City zusammen. Die vollständige Präsentation der Sammlung möchte national und international für Transparenz sorgen, einen Einblick in den laufenden Restitutionsprozess geben und zusammen mit der im nächsten Jahr erscheinenden Begleitpublikation zur wissenschaftlichen Erschließung und abschließenden Würdigung der Bestände in Hamburg beitragen.

Dr. Martin Hoernes, Generalsekretär Ernst von Siemens Kunststiftung: ‚„Benin. Geraubte Geschichte‘ eine Ausstellung und das Thema für zwei wichtige Förderprojekte der Ernst von Siemens Kunststiftung: Die Datenbank DIGITAL BENIN macht die weltweit verstreuten Kunstwerke des Königreichs Benin wieder in ihrer Gesamtheit sichtbar und zugänglich. Die aktuelle Ausstellung zeigt den herausragenden Hamburger Bestand der Kunst aus Benin. Beide Projekte dokumentieren die künstlerische Qualität der Werke, sichern deren zukünftige Zugänglichkeit und Bewahrung, begleiten den wissenschaftlichen Austausch mit Nigeria sowie die laufenden Restitutionsprozesse.“

Mit finanzieller Unterstützung der Behörde für Kultur und Medien Hamburg, der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Hubertus Wald Stiftung, der Herbert-Pumplün-Stiftung sowie des Freundeskreises des Museums am Rothenbaum. Die Provenienzforschung wurde unterstützt durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste.

 

Behörde für Kultur und Medien, Hamburg