Thümler: „Durch innovativen und transparenten Umgang mit außereuropäischen Kulturgütern ein kulturpolitisches Zeichen setzen"
Am morgigen Mittwoch beginnt in Berlin die erste Frühjahrssitzung der neu eingerichteten Kulturministerkonferenz (Kultur-MK), an der auch Niedersachsens Minister für Wissenschaft und Kultur, Björn Thümler, teilnimmt. Das Gremium wurde auf Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) im Herbst 2018 gegründet und hat zum 1. Januar 2019 seine Arbeit aufgenommen. Die Kulturhoheit liegt - wie auch bei der Bildung - verfassungsrechtlich garantiert bei den Ländern. Ziel der neuen Kultur-MK ist es, den kulturpolitischen Belangen der Länder wieder mehr Sichtbarkeit zu verschaffen und ihren Stellenwert in der öffentlichen Wahrnehmung zu verbessern. Vorbereitet werden die Beratungen im Kulturausschuss der KMK - hier hat Niedersachsen den Vorsitz inne.
„Gerade in unserer schnelllebigen Welt - im Zeitalter von Digitalisierung, Globalisierung, Diversifizierung und demografischem Wandel - stärkt Kultur den Zusammenhalt der Gesellschaft. Bewahrung und Pflege von Traditionen geben Orientierung und fördern gleichzeitig Inspiration für Neues", sagt Thümler. „Angesichts dieser großen gesellschaftlichen Herausforderungen, vor denen wir aktuell stehen, ist es umso wichtiger, dass wir uns in kulturellen Belangen auch über die Ländergrenzen hinweg besser austauschen." Gleichzeitig soll mit dem neuen Gremium die Abstimmung zwischen Bund und Ländern im Hinblick auf Vorhaben von nationalem Interesse verbessert werden. Thümler: „Kulturpolitik ist zuvörderst Ländersache - mit der Kultur-MK wird ihre Position gegenüber dem Bund gestärkt."
Der Umgang mit dem kolonialen Erbe in Museen und Sammlungen ist eines der Kernthemen, das bei der ersten Sitzung der neuen Kultur-MK diskutiert werden soll. Geplant ist eine gemeinsame Positionierung von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden. „Provenienzforschung bedeutet Austausch, Dialog und Verständigung - mit ihr sind essentielle Fragen nach unserem kulturellen Erbe und unserem Blickwinkel auf das Weltgeschehen verknüpft", betont Minister Thümler.
Niedersachsen unterstützt die Erforschung kolonialer Zusammenhänge sowie die uneingeschränkte Aufarbeitung von Fällen NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter in den Museen und Sammlungen des Landes seit Jahren ausdrücklich und zählt mit vielfältigen Aktivitäten zu den Vorreitern unter den Ländern. Bereits 2015 wurde das Netzwerk „Provenienzforschung in Niedersachsen" gegründet und die Stelle einer Netzwerkkoordinatorin geschaffen. Das Netzwerk unterstützt Museen, Bibliotheken und Archive in Niedersachsen, die Herkunft ihrer Kunstwerke und Kulturgüter im Hinblick auf NS-Raubkunst zu erforschen. Es entwickelt Konzepte, wie die Recherchen zu NS-Raubgut in Niedersachsen ausgeweitet und neue Verbundprojekte oder Fort- und Weiterbildungsangebote geschaffen werden können. Gleichzeitig agiert das Netzwerk als Schnittstelle zum Deutschen Zentrum Kulturgutverluste (DZK) in Magdeburg.
Zu einer der umfangreichsten Initiativen des Netzwerkes zählt das Projekt PAESE (Provenienzforschung zu außereuropäischen Sammlungen und der Ethnologie in Niedersachsen). Unter der Federführung des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover werden hier die eigenen Bestände sowie die ethnografischen Sammlungen in Göttingen (Georg-August-Universität), Oldenburg (Landesmuseum Natur und Mensch), Hildesheim (Roemer- und Pelizaeus-Museum) und Braunschweig (Städtisches Museum) erforscht. „PAESE leistet einen Beitrag sowohl zu den jüngeren internationalen Debatten über das koloniale Erbe der Ethnologie als auch zur internationalen Recherchier- und Erforschbarkeit repräsentativer ethnologischer Sammlungen", so Thümler. „Durch den innovativen und transparenten Umgang mit außereuropäischen Kulturgütern wollen wir ein kulturpolitisches Zeichen setzen." Ein vergleichbares Projekt für mittlere und kleine Museen, die über ethnologische Bestände verfügen, ist in Niedersachsen aktuell in Planung.