Nachhaltigkeitskriterien spielen bei der Beschaffung durch öffentliche Auftraggeber bisher in Deutschland eine noch eher nachrangige Rolle. Das soll sich für die Beschaffung in Niedersachsen nun ändern. Dazu hat Wirtschaftsminister Olaf Lies in der heutigen Kabinettssitzung die neuen Verwaltungsvorschriften „Nachhaltige Beschaffung“ vorgestellt. Sie gelten für alle Vergaben, die ab dem 1. Dezember 2023 beginnen, für die unmittelbare Landesverwaltung und die nachgeordneten Behörden.
Derzeit werden bundesweit nur bei ca. 12 Prozent der öffentlichen Aufträge unterhalb der Schwellenwerte Vorgaben zu Nachhaltigkeitskriterien gemacht. Eine Berücksichtigung sozialer und umweltbezogener Kriterien fände bislang im Beschaffungsprozess selten statt, so Lies: „Da können und müssen wir aus meiner Sicht besser werden. Dabei geht es um mehr als nur die reine Vorbildfunktion. Denn mit einem Beschaffungsvolumen von bundesweit jährlich bis zu 450 Milliarden Euro hat die öffentliche Hand eine sehr relevante Marktmacht.“
So soll beispielsweise die Beschaffung von Lebensmitteln und Verpflegungsleistungen nachhaltiger ausgerichtet werden. Das betrifft Lebensmittel aus biologischer Produktion sowie saisonale Waren. Im Baubereich sollen nachwachsende Baustoffe, gütegesicherten Recyclingbaustoffe oder ein prozentualer Anteil dieser Stoffe beim Einkauf von Bauleistungen berücksichtigt werden können. Die neuen Regelungen beinhalten auch eine Negativliste mit Leistungen, die von der unmittelbaren Landesverwaltung überhaupt nicht mehr beschafft werden dürfen. Darunter fällt beispielsweise der Einkauf von Einweggeschirr und Einwegbesteck zur Verwendung in Kantinen und Mensen. Staatliche Konsumausgaben und Investitionen sind laut Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) für mindestens zwölf Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Von den Regelungen erhofft sich der Minister ein Einsparpotential von rund 15 Prozent dieser durch die Beschaffung ausgelösten Emissionen.
Die Vorschriften sollen dabei auch Unternehmen helfen, die bereits nachhaltige Produkte anbieten, die dadurch aber immer wieder eben auch nicht die preisgünstigsten Produkte anbieten können. Lies: „Wirtschaftlichkeit bleibt das zentrale Gebot. Es ist aber kein Automatismus, dass immer das günstigste Produkt das wirtschaftlichste ist. Wir möchten die Unternehmen ermutigen, auf die von uns geschaffenen Anreize zu reagieren und mehr nachhaltige Produkte und Dienstleistungen anzubieten.“
So soll auch der Lebenszyklus von Produkten und Leistungen durch die Landesvergabestellen bei der Beschaffung stärker beachtet werden. Denn betrachtet man die Vollkosten eines Produktes über den gesamten Lebenszyklus beginnend mit der Produktion bis hin zur Verwertung, ist das Produkt mit dem günstigsten Anschaffungspreis nicht immer automatisch das Wirtschaftlichste. Es sollen demnach langfristig mehr Produkte eingekauft werden, die länger halten, weniger Energie verbrauchen, leichter recycelt oder wiederverwendet werden können. Auch die monetäre Bewertung von Treibhausgasemissionen, also ein „CO2-Schattenpreis“, kann damit künftig in die Gesamtbewertung mit einfließen.
„Wir haben bei Erstellung der Regelungen darauf geachtet, dass wir auf der einen Seite nachhaltiger beschaffen und auf der anderen Seite auch die aktuellen Möglichkeiten der Wirtschaft und das Machbare im Blick behalten, damit die Regelungen umsetzbar sind und sich in den Beschaffungsalltag integrieren lassen.“ Dabei erhoffe man sich, so Minister Lies abschließend, dass auch Kommunen dem Weg folgen: „Wir erhoffen uns, dass mehr und mehr Kommunen diese Regelungen als Empfehlung aufnehmen und wir damit auch die Arbeit vor Ort erleichtern.“ Die Verwaltungsvorschriften samt weiterführender Informationen stehen unter Nachhaltige Beschaffung in Niedersachsen als Download zur Verfügung.