Minister Nathanael Liminski ist in dieser Woche für zwei Tage nach Zypern gereist. Themen seiner Gespräche mit Regierungsvertretern, Behörden, Nicht-Regierungsorganisationen und Experten waren vor allem Migration und die humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen.
Minister Liminski: „Auch wenn mehr als tausend Kilometer Luftlinie zwischen uns liegen, ist uns Zypern mit seinen Herausforderungen in vielerlei Hinsicht ganz nah. Ob Migration oder die Folgen des Nahost-Konfliktes, beide Themen kommen in Zypern wie unter einem Brennglas zusammen und betreffen auch uns in Nordrhein-Westfalen. Kein EU-Mitgliedsland nimmt im Verhältnis zu seiner Einwohnerzahl mehr Flüchtlinge auf als der kleine Mittelmeerstaat. Wir müssen das unüberhörbare Alarmsignal von Zypern zu den drastisch steigenden Flüchtlingszahlen ernst nehmen. Auch bei der humanitären Hilfe für Gaza steht Zypern in der ersten Reihe. Im östlichen Mittelmeer ist die Humanität Europas einem Stresstest ausgesetzt – und muss sich bewähren.“
Erste Station der Reise war der Hafen von Larnaka. Dort sprach Minister Liminski in Begleitung der deutschen Botschafterin auf Zypern, Anke Schlimm, unter anderem mit der Besatzung des Schiffes „Open Arms“, das im Mittelmeer in Seenot geratene Flüchtlinge rettet. Gemeinsam mit der Initiative „World Central Kitchen“ organisiert die NGO zudem die Lieferung von Lebensmitteln und Hilfsgütern nach Gaza. Liminski: „Nordrhein-Westfalen bleibt an der Seite Israels. Das steht auch nicht im Widerspruch dazu, dass wir die extreme humanitäre Notlage im Gazastreifen sehen und lindern wollen. Es war mir wichtig, die engagierten Helferinnen und Helfer der Organisationen kennenzulernen, die unter schwierigsten Bedingungen Hilfslieferungen nach Gaza ermöglichen, und von ihnen Informationen zur Lage aus erster Hand zu erhalten.“ Minister Liminski ließ sich außerdem von amerikanischen Regierungsvertretern zu den Plänen der USA unterrichten, gemeinsam mit regionalen Partnern einen temporären Hafen vor der Küste des Gazastreifens zu errichten, um Hilfsgüter effizienter als bisher über den Seeweg transportieren zu können.
Um die Sicherheit im Mittelmeer ging es bei den Gesprächen mit den Mitarbeitern des „Joint Rescue Coordination Center“ (JRCC). Die Behörde ist Kern des Such- und Rettungssystems der Republik Zypern und sorgt dafür, Notsituationen auf See früh zu erkennen und Menschenleben schnell zu retten. Im „Cyprus Center for Land Open Seas and Port Security“ (CYCLOPS) informierte sich Minister Liminski über die internationale Zusammenarbeit zur Schulung in verschiedenen Bereichen der nicht-militärischen Sicherheit – dazu zählen Zoll- und Ausfuhrkontrolle, Hafen- und Seesicherheit sowie Cybersicherheit. „Angesichts der unsicheren Lage im Nahen Osten stellt sich die Frage noch einmal mehr, wie wir vernetzte Sicherheit in einem für Europa strategisch wichtigen Raum organisieren“, so der Minister.
Beim Austausch im zypriotischen Innenministerium berichtete der Staatssekretär Elikkos Elia über die Herausforderungen bei der Bewältigung von Flüchtlingsbewegungen syrischer Flüchtlinge aus dem Libanon. Liminski: „So, wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen. Angesichts der rasant steigenden Zahlen muss jeder verstehen, dass die zypriotischen Kollegen in Sachen Flucht an ihre Grenzen gekommen sind. Wenn man die Zuzugszahlen für Zypern und seine Größe auf Deutschland überträgt, wird die Dramatik der Situation sofort deutlich.“ Während im ersten Quartal 2023 über den Seeweg rund 80 Flüchtlinge auf Zypern angekommen sind, waren es im ersten Quartal 2024 bereits über 2.000. Vor diesem Hintergrund hat die zypriotische Regierung jüngst bekanntgegeben, die Bearbeitung von Asylanträgen syrischer Flüchtlinge auszusetzen.
Am Abend des ersten Reisetags diskutierte Minister Liminski im Rahmen der „Dinner Debate“ der Konrad-Adenauer-Stiftung unter anderem mit dem libanesischen Parlamentarier und früheren Sozialminister Pierre Bou Assi und dem ehemaligen Innenminister Zyperns, Nikos Nouris, zum Thema „Jenseits der Grenze: Die Herausforderung der Migration als Faktor der deutschen und zypriotischen Außenpolitik“. Minister Liminski hat dort unterstrichen: „Die Einigung zum EU-Asyl- und Migrationspaket ist ein erstes wichtiges Signal. Wir dürfen dabei jedoch nicht stehen bleiben und müssen weiter an einer nachhaltigen Lösung arbeiten.“
Ein Bild von der Lage vor Ort machte sich Minister Liminski am zweiten Tag beim Besuch des Flüchtlingslagers Pournara, einer von zwei Erstaufnahmeeinrichtungen im Land. In der ursprünglich für maximal 1.800 Personen ausgelegten Unterkunft kommen aktuell 300 bis 500 Personen pro Tag an. Entsprechend ist das Lager weit über seine Kapazitäten belegt. „Auch wenn oft abstrakt von Welle, Krise oder Strom die Rede ist: An diesem Ort bekommt die große Frage der Migration ein menschliches Gesicht. Niemand begibt sich leichtfertig auf den unsicheren Weg über das Mittelmeer“, sagt Minister Liminski.
Die Reise wurde mit einem Besuch im Hauptquartier der Friedenstruppe UNFICYP der Vereinten Nationen auf Zypern abgeschlossen, die seit 1964 vor Ort präsent ist und seit 1974 die entmilitarisierte Zone zwischen der Republik Zypern und den von türkischen Truppen okkupierten Nordteil der Insel überwacht. „Wer Zypern verstehen möchte, muss sich mit dem ungelösten territorialen Konflikt zwischen der Republik Zypern und der Türkei eingehend beschäftigen. Auch im Hinblick auf die Migrationsfrage spielt der Konflikt eine bedeutende Rolle, da Flüchtlinge immer wieder aus der Türkei über das besetzte Gebiet nach Zypern gelangen,“ betonte der Minister.
Sein abschließendes Fazit lautet: „So gut organisiert die Hilfe hier vor Ort auch funktioniert, so offenkundig ist auch, dass wir so nicht auf Dauer weitermachen können. Die Debatte zur Migration braucht weniger Mahnerei und Moralisieren. Europa braucht den Mut zu Steuerung und Begrenzung der Migration, um der Situation gerecht zu werden – und vor allem den Menschen. Das heißt konkret, mit einem Drittstaaten-Modell und geordneten Verfahren außerhalb Europas Schleusern das Handwerk zu legen, so illegale Migration zu unterbinden und Fluchtursachen zu bekämpfen. Das ist humaner als der Status Quo, in dem Schlepper darüber entscheiden, wer den Weg nach Europa schafft. Nur mit mehr Ordnung werden wir dauerhaft denen angemessen helfen können, die unsere Hilfe wirklich brauchen. Das Sterben im Mittelmeer muss endlich ein Ende haben.“