Der saarländische Minister für Bildung und Kultur, Ulrich Commerçon hat am 30. März 2016 im so genannten „TTIP-Leseraum“ des Bundeswirtschaftsministeriums Einblick in die Dokumente genommen und das Verfahren als „unwürdig“ kritisiert.
Für die Dauer von zwei Stunden können Mitglieder des Bundestages und des Bundesrates Einblick in die Verhandlungsdokumente zum Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) unter Aufsicht und ohne Mitarbeiter der Fachebene nehmen. Mobile Telekommunikationsmittel wie Handys und Tablets müssen abgegeben und in ein Schließfach gesperrt werden. Lediglich persönliche Notizen sind erlaubt. Die Volksvertreter und Bundesratsmitglieder unterliegen einer strengen Verschwiegenheitspflicht. „Das Verfahren zur Einsichtnahme ist eines Mitglieds des Verfassungsorgans Bundesrat unwürdig, in der Sache unangemessen und dazu angetan, die gängigen Verschwörungstheorien und die zunehmende Abneigung gegenüber politischen Vorgängen zu stärken. Wenn das Vertrauen in die Demokratie nicht völlig verloren gehen soll, muss die EU hier dringend mit einer Transparenzoffensive gegensteuern“, so Minister Commerçon.
Es habe zwar Kaffee und Plätzchen für den Minister gegeben, „aber die Rechner funktionierten zunächst nicht, die Sticks mit den Dokumenten waren nicht bereitgestellt und insgesamt vier Mitarbeiter waren damit beschäftigt, den richtigen PIN-Code herauszufinden“. Nach einer halben Stunde zeigte der PC schließlich den Hinweis an: „Das System ist möglicherweise gefährdet.“ Commerçon schmunzelt: „Es wird in der Tat so getan, als handele es sich um eine systemgefährdende Tätigkeit, sich über eines der wichtigsten Freihandelsabkommen der letzten Jahre zu informieren.“ Was jedoch kaum gelungen ist, da die Dokumente im Verhandlungsverlauf kaum zuzuordnen waren.
Aus Sicht des Kulturministers bestehe die Gefahr, „dass das historisch gewachsene Kulturstaatsverständnis in Deutschland und Europa sowie der Bestand der Kulturhoheit der Bundesländer durch das Abkommen ausgehöhlt werden“. Commerçon: „Regelungen zur Kulturförderung wie die Buchpreisbindung, die Finanzierung von Theatern und Museen oder etwa die Filmförderung, die der Sicherung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt dienen, könnten einer Liberalisierungspolitik unterworfen werden. Dies würde jedoch unserem bisherigen Grundkonsens widersprechen, Kultur und Kulturgüter nicht alleine den Marktgesetzen zu überlassen.“ Große Unsicherheit bestehe auch in der Tatsache, dass die USA als Verhandlungspartner bislang die UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung für kulturelle und sprachliche Vielfalt bis heute nicht unterzeichnet haben.
Der Minister fordert daher: „Wenn die Bevölkerung wieder Vertrauen in die Verhandlungen aufbringen soll, dann muss die EU volle Transparenz und eine wirksame Beteiligung des EU-Parlamentes sowie der nationalen Parlamente ermöglichen.“